Die Digitalisierung der grünen Branche

Chance und Herausforderung für den Gartenmarkt

Stefan Pohl

Foto: GABOT
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Die Digitalisierung ist der Wandel, der unsere Gesellschaft derzeit am stärksten beeinflusst. Kaum eine Transformation nach der Industrialisierung hatte in der Vergangenheit einen vergleichbaren Einfluss auf sämtliche Bereiche unseres Lebens. Dabei bieten die digitalen Entwicklungen große Chancen für mehr Lebensqualität, revolutionäre Geschäftsmodelle und effizienteres Wirtschaften. Gleichzeitig stellen sie alle Marktteilnehmer vor neue strategische Herausforderungen. Doch bei der richtigen Weichenstellung können Konzerne, aber auch kleine und mittelständische Unternehmen langfristig erfolgreich am Markt agieren.

Im Vergleich zu vielen anderen Branchen entwickelt sich die Digitalisierung im Gartenmarkt eher langsam, obwohl die Umsätze im E-Commerce stetig wachsen. Und diese Entwicklung hat durch Corona noch einmal eine ganz andere Dynamik bekommen. So hat sich laut IFH Köln das Konsumverhalten der Deutschen in der Pandemie deutlich verändert. Ein signifikanter Anteil der Bevölkerung (44 Prozent) hat in der Corona-Krise erstmals Produkte online gekauft, die sie sich vorher nur stationär angeschafft haben. Trotzdem nimmt der Gartenbereich immer noch eine Sonderstellung ein. „Das ist zum Großteil auch auf die Besonderheiten grüner Sortimente zurückzuführen“, sagt Stefan Pohl, Pressereferent beim Industrieverband Garten (IVG) e.V. „Eine Pflanze verschickt sich nicht so leicht wie eine CD und wird von ihren Käufern gerne persönlich ausgesucht.“ Aber auch andere Warengruppen wie etwa Gartengeräte und Zubehör sind aufgrund des hohen Beratungsbedarfs nicht optimal für den Fernverkauf geeignet.

Abgrenzung durch zukunftsfähige Konzepte

Dennoch sind sich die Experten einig: Der Online-Handel verändert alles, stationäre Formate müssen ihre Konzepte stetig optimieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Nicht nur die enorme Marktmacht und das exponentielle Wachstum des Versandhändlers Amazon stellen Baumärkte, Gartencenter und Co. vor große Herausforderungen. Auch durch den Eintritt branchenfremder Akteure in den Grünen Markt gibt es Handlungsbedarf vonseiten der Traditionalisten. Schon lange ist die Zeit vorbei, in der das lebende Grün lediglich über den Fach- und Systemhandel vertrieben wurde. Dabei stammt die Konkurrenz nicht ausschließlich aus dem Internet: Lebensmitteleinzelhandel, Möbelhäuser und Discounter haben längst die Bereicherung erkannt, die Gartenprodukte für ihre Sortimente darstellen. Zudem sorgt das Internet dafür, dass die Welt näher zusammenrückt. Ländergrenzen werden mehr und mehr aufgeweicht. So treten nicht nur neue Handelsformate in den Markt ein, es erfolgt auch eine Erweiterung der Produktsortimente. „Die Digitalisierung erleichtert Wettbewerbern aus allen Teilen der Erde den Vertrieb ihrer Erzeugnisse in Deutschland“, so Pohl. „Dabei sind nicht alle Inverkehrbringer gleichermaßen an der Einhaltung von Konformitäten und EU-Rechtsgrundlagen interessiert – eine Tatsache, die den fairen Wettbewerb erschwert und Behörden, Gesetzgeber und Verbände vor neue Aufgaben stellt.“ All diese Entwicklungen sorgen dafür, dass Hersteller und Händler gleichermaßen gefragt sind, wenn es darum geht, sich abzugrenzen und zukunftsfähige Konzepte zu entwickeln.

Den Kunden nicht aus den Augen verlieren

Foto: GABOT
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Doch die Abgrenzung gegenüber neuen Marktteilnehmern ist nur eine Komponente, die Unternehmen in ihrer Strategie berücksichtigen sollten. Denn nicht nur die Handelslandschaft ist im Wandel, auch der Kunde verändert seine Verhaltensweisen. Einseitige Kommunikationsmodelle sind längst überholt, die Einflussfaktoren unserer Zeit lauten soziale Netzwerke und Kundenrezensionen. So gaben laut einer Statista-Umfrage aus dem Jahr 2019 insgesamt 42 Prozent der befragten Deutschen an, täglich oder fast täglich soziale Netzwerke zu nutzen. Dort tauschen sie sich aus und sammeln Inspirationen. Laut Bitkom spielen bei der Shop-Auswahl für die Verbraucher immer noch der Preis (83 Prozent), Zahlungsmöglichkeiten (65 Prozent) sowie eine versandkostenfreie Lieferung (62 Prozent) die größte Rolle. Allerdings legen sie auch gesteigerten Wert auf Kundenbewertungen. Für 53 Prozent sind sie ein entscheidendes Kriterium bei der Shop-Auswahl, 63 Prozent lesen Online- Kundenbewertungen generell vor dem Kauf von Produkten. 55 Prozent informieren sich vor dem Online-Kauf außerdem auf Preisvergleichsseiten. 47 Prozent gehen generell erst einmal auf die Webseiten der Shop-Betreiber, 45 Prozent setzen auf Testberichte. „Die Herausforderung ist es also, die Kunden sowohl in der realen als auch in der virtuellen Welt zufriedenzustellen“, sagt Pohl. Dies gelingt einerseits durch eine kanalübergreifende Ansprache und andererseits über einen professionellen Umgang mit negativen Bewertungen. Dabei ist es nicht das primäre Ziel, den Kunden vollständig vom eigenen Produkt zu überzeugen. Vielmehr geht es darum, Wertschätzung zu vermitteln. Fühlt sich ein Käufer ernst genommen, ist er auch bereit, eine mittelmäßige oder schlechte Bewertung zu optimieren. „Darüber hinaus wird er diese Positiverfahrung gerne im Freundes- und Bekanntenkreis teilen“, so Pohl. „Ein Effekt, der ebenfalls nicht zu unterschätzen ist.“