Nachhaltigkeit: „Raus aus der Nische, rein ins Kerngeschäft“

Von kleinen und großen Themen im Zierpflanzenhandel

Ina Reinders

Foto: Blume2000 AG
Foto: Blume2000 AG

Die BLUME2000 AG ist mit ihren rund 230 Filialen sowie ihrem Online-Versand der größte Fachhändler für Zierpflanzen und Floristik in Deutschland. Nachhaltigkeit spielt seit Jahren eine immer wichtigere Rolle, ist eine feste Säule der Unternehmensphilosophie. Dies erkennt man auch daran, dass es bereits seit 2011 hierfür eine Vollzeitstelle in dem Unternehmen gibt.

Einige Themen, die man heute dem Bereich der Nachhaltigkeit zuordnet, waren gefühlt schon immer da: die Liebe zum Produkt und damit die Verbundenheit zu Naturthemen, der familiäre Umgang in den Teams oder der Effizienzgedanke in den Prozessen. Konkret gab es auch schon mehrere Jahre vor der Schaffung der Stelle „Corporate Responsibility“ Mehrweg-Eimer für die Schnittblumen, Fairtrade-zertifizierte Rosen, regional zuliefernde Gärtnerbetriebe oder die Zuführung von sortenrein getrennten Abfällen ins Recyclingsystem.

Bereits seit der Umsetzung des neuen BLUME-Konzeptes 2011/12 ist die Relevanz von Nachhaltigkeit in Produkten, Prozessen und der Unternehmensführung wesentlich höher. Damit einhergehend wächst auch der Anspruch – intern wie extern. Das Unternehmen ist sich sicher, dass nachhaltiges Wirtschaften und Handeln 2021 kaum noch von der Gesellschaft sowie vom eigenen Kunden als exklusiven Mehrwert verstanden, sondern als Hygienefaktor zu allen anderen Leistungen mit erwartet wird. Nachhaltigkeit ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

Was hat der Gartenbau mit Nachhaltigkeit am Hut?

Gerade die „Grüne Branche“ hat hier eine Verantwortung. Ist doch die Natur ihr wichtigster Lieferant von Produkten und Ökodienstleistungen wie z.B. Regen, Wärme, Luft, Nährstoffen oder auch der Bestäubung. Aber aus dieser engen Wechselbeziehung ergibt sich auch eine einzigartige Chance: die Menschen wieder näher mit der Natur zusammenzubringen und sie für ihren Schutz zu gewinnen. Die Sehnsucht eines Jeden nach belebender Natur, sich diese nach Hause zu holen, ist größer geworden; ebenso, diese zu schützen und Gutes zu tun. Der Gartenbau kann so z.B. Umweltbildung sein, Entschleunigung und Freizeitgestaltung bedeuten, CO2-Speicher darstellen, das Mikroklima verbessern, Tieren Lebensraum bieten, Selbstversorger unterstützen oder auch das Traditionshandwerk der Floristik für die Zukunft sichern.

Nachhaltigkeit und Gartenbau sollten also Hand in Hand gehen. Doch wie gelingt die Transformation eines etablierten Unternehmens in diesem Bereich?

Foto: Blume2000 AG
Foto: Blume2000 AG

Ina Reinders, Managerin Corporate Responsibility bei der BLUME2000 AG, sagt dazu: „Hilfreich war für uns, sich klarzumachen, dass eine totale Nachhaltigkeit ein Ideal ist, dass man nie erreicht, sondern dem man sich nur in Schritten annähern kann. Jede Organisation sollte die eigenen Kernthemen für sich definieren, Komplexität reduzieren und durch konkrete, manchmal auch kleine Verbesserungen eine Anfassbarkeit des sehr abstrakten Themas herstellen. Der Wille zur Weiterentwicklung muss von der Unternehmensführung getragen werden und idealerweise geht sie allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, in ihren jeweiligen Verantwortungsbereichen, in Fleisch und Blut über“, so Reinders weiter. Um dies zu unterstützen, sollte die betriebliche Aus- und Weiterbildung dieses Thema in seinen unterschiedlichen Ausprägungen immer wieder behandeln. Praxisnähe und Alltagstauglichkeit sind an dieser Stelle wesentliche Stichworte, um das Wissen schnell einprägsam und anwendbar zu machen. „Wer inhaltliche Zusammenhänge erkennt und versteht, warum gewisse Dinge für die Zukunft wichtig sind, wird sich schneller hinter die gesteckten Ziele stellen und sie mit dem eigenen Handeln aktiv unterstützen.“

Auf die Biene gekommen

"Deutschland blüht auf"-Saattüten. Foto: Blume2000 AG
„Deutschland blüht auf“-Saattüten. Foto: Blume2000 AG

Neben eher technischen bzw. prozessualen Themen wie Ökostrom, der eigenen Fairtrade- und Bio-Zertifizierung, Reduktion und Umstellung von Verpackungen sowie der möglichst nachhaltigen und auch zertifizierten Produktion in den Gartenbaubetrieben steht vor allem immer wieder ein Engagement im Fokus: der Schutz von Bienen und wilden Bestäubern. Bereits 2014 gründeten 12 Mitarbeiterinnen des Unternehmens den gemeinnützigen Verein Flowers4Bees e.V., der den Schutz von Insekten und Biodiversität im Allgemeinen in den Mittelpunkt seines Handelns rückt. Weitere Vereinsmitglieder sind der norwegische Einzelhändler Mester Grønn A/S sowie die Großhändler GASA GROUP Germany GmbH und GASA GROUP Denmark A/S. Flowers4Bees e.V. setzt Projekte zusammen mit den Mitgliedsunternehmen um. Der Verein betreibt inzwischen an zwei Standorten Imkereien, die durch die Belegschaft der Unternehmen betreut werden. So wird der Bezug zu den Tieren persönlich, ihre Schutzbedürftigkeit und ihre Herausforderungen in unserer heutigen Umwelt werden deutlich. Dies steigert auch das Verständnis für die viel gefährdeteren Wildbienenarten. Es gab in Kenia zudem ein Pilotprojekt mit einem Imkerkurs für Angehörige einer Fairtrade-Rosenfarm mit dem Ziel, über die Honigproduktion ein attraktives Nebeneinkommen zu generieren. Das bisher größte Projekt ist die noch laufende Initiative „Deutschland blüht auf“, über die schon weit mehr als 2 Millionen Quadratmeter Blühwiesen für Insekten gefördert werden konnten. Nahtlos schließt sich da das neue Zukunftsprojekt, die Baumaktion, an: Hier wurden im Oktober 2020 rund 20.000 Weidesetzlinge über die Geschäfte an Kundinnen verteilt. Mehr als 1 Millionen bestäuberfreundliche Bäume sollen so in den nächsten Jahren in den Privatgärten, aber auch in Zusammenarbeit mit größeren Projektpartnern aufblühen.

Für ein ernsthaftes Engagement ist es jedoch nicht ausreichend, Wohlfühlprojekte durchzuführen. Dann könnte man sich schnell dem Vorwurf des Greenwashings ausgesetzt sehen. Entscheidend ist die Ernsthaftigkeit, mit der Nachhaltigkeitsanforderungen auch in das Kerngeschäft Einzug halten. Am Beispiel des Bienen-Engagements sollten sich Produzenten und Händler fragen, wie sie mit ihren Produkten den Bestäuberschutz verbessern können. Biologischere Anbauweisen, der verstärkte Einsatz von Nützlingen und Pflanzenstärkung und vor allem ein umfassender Verzicht auf bienengefährdende Wirkstoffe sind neben Sortimentsentscheidungen für ungefüllte Blüten und Wildpflanzen Möglichkeiten, die wichtigen Insekten zu fördern.

Kooperation ist unerlässlich

Ob bei Fragen des Pflanzenschutzes, der Auswahl von Sorten, der Weiterentwicklung von Produktkonzeptionen, den dazugehörigen Verpackungen oder dem Nutzen von Zertifizierungen – nichts geht ohne sowohl den Kunden im Blick zu behalten als auch gleichermaßen mit den Lieferanten partnerschaftlich zusammenzuarbeiten. BLUME2000 setzt auf strategische Kooperationen mit langfristigem Fokus und bindet die Partner aktiv in Entwicklungen ein. Gleichzeitiges Beobachten und Analysieren von Trends am Absatzmarkt und innerhalb der relevanten Kundengruppen ermöglicht zielgerichtete Sortimentsplanungen. Auch dies erhöht letztlich die Nachhaltigkeit.

Was sind die Herausforderungen der Zukunft?

„Wir haben uns vorgenommen, stetig an unseren Zielen weiterzuarbeiten und in den Weiterentwicklungen nicht nachzulassen. Ein respektvoller Umgang mit Mensch und Natur steht dabei im Mittelpunkt“, sagt Ina Reinders. Herausforderungen bleiben für die kommenden Jahre noch reichlich. Hier nennt sie beispielsweise Klimawandelanpassungen im Gartenbau, zukunftsfähige Sortimente, CO2-Reduktion in der gesamten Kette, nachhaltigere Anbaumethoden, veränderte Pflanzenschutzstrategien sowie umweltschonendere Verpackungs- und Logistiksysteme. Reinders fährt fort: „Vieles, was wir jetzt schon tun, wollen wir ausbauen. Regionalen Einkauf und zertifizierte Produktionen fördern, Zukunftsperspektiven schaffen und die Wertigkeit des Floristikhandwerks erhalten und weiterentwickeln. Zusammen mit unseren Kundinnen, Kunden und Partnern werden wir uns weiterhin für Artenschutzprojekte wie Blühwiesen und Baumpflanzungen stark machen. Auch wenn es schon viele Aktivitäten und Engagements im Gartenbau gibt. Die Zukunft muss noch viel grüner werden.“