Visual Merchandising im Grünen Handel

Ladenlayout, Warengruppen und Navigation an Kundenbedürfnisse ausrichten

Antje Verstl

Antje Verstl ist gelernte Baumschulmeisterin und Geschäftsführerin der DENDRON akademie GmbH. Sie ist Beraterin und coacht Unternehmen zum Thema Sensual & Visual Merchandising im grünen Handel. In ihrem neuesten Buch „SANA SINI – Sensual Merchandising im Handel“ führt sie uns mit ihrer offenen und sympathischen Art durch die verschiedenen Erlebniswelten.

I. Grüne Trends 2021

Weiter so oder auf zu neuen Ufern?

Indoor Gardening: Auch hier spielen wir die Jahreszeiten, um stetig neue
Begehrlichkeiten zu schüren. (bellaflora, Österreich). Foto: Antje Verstl
Indoor Gardening: Auch hier spielen wir die Jahreszeiten, um stetig neue
Begehrlichkeiten zu schüren. (bellaflora, Österreich). Foto: Antje Verstl

Auch im neuen Jahr bleibt nichts wie es ist und jeder Unternehmer stellt sich die Frage, wie Ware, Umsätze und die Zukunftsstrategien in Einklang zu bringen sind.
Folgen wir der klassischen Wachstumsjagd oder riskieren wir eine Nullrunde zu Gunsten unserer werteorientierten Ausrichtung? Oder beides?
In der strategischen Überlegung stellt sich die Frage, wie viele Perspektiven wir zulassen. Vor allem, wie ernst und wichtig uns dabei die Kunden-Perspektive ist.
In der Grünen Branche warten unzählige Chancen auf uns; mit neuen Flächenkonzepten den Kunden mit seinen Wünschen abzuholen, ihn konkret zu inspirieren und verwendungsorientiert zu animieren.
Gerade jetzt, wo Grün zum Symbol einer neuen Lebensphilosophie wird, können wir das viel stärker als Gegenentwurf zur Digitalisierung und Schnelllebigkeit für uns nutzen und mit Inhalten füllen.
Es liegt auf der Hand, welche Gartenthemen die Menschen in diesem Jahr bewegen.

Trend 1: Nutzgarten

Der Nutzgarten rund ums Jahr steht ganz oben auf der Wunschliste. Obst, Gemüse, Kräuter und Blumen im Mix und Match selber anbauen wird zum Green Kult. Garten, Balkon, Terrasse, Dächer werden zur Farm. Der Anbau von gesunden Esspflanzen wird zum Freizeitsport. Das Hochbeet ist und bleibt ein Must-have und möchte 2021 rund ums Jahr genutzt werden. Der Garten schläft nicht mehr!

  • Vielfalt ist gefragt: Klassiker und alte Schätze mit hohem Gesundheitswert wie Ingwer, Morus, Kurkuma, Quinoa, Feigen, Pilze, und Nüsse.
  • Vom Pfahl bis zum Pott: Alle passenden Zutaten an einem Ort.
  • Kulinarische Sortimente und spannende Utensilien zum Backen, Kochen, Dörren, Dämpfen, Lagern und Einmachen wecken Begehrlichkeiten.

Trend 2: Naturapotheke

Tiny Garden: Gerade in der Stadt sind Menschen auf Ideen für kleine
Flächen. Ein Hingucker auf dem Tisch für den Urban Gardener. Foto: Antje Verstl
Tiny Garden: Gerade in der Stadt sind Menschen auf Ideen für kleine
Flächen. Ein Hingucker auf dem Tisch für den Urban Gardener. Foto: Antje Verstl

Das Themenfeld Gesundheit wird im Jahr 2021 eine besondere Bedeutung erfahren. Alles ist gut, was gesund für mich und gesund für die Natur ist.
Partnerschaften dienen der Gesundheit. Das Gärtnern ohne Chemie und im Einklang mit der Natur gehört zum grünen Kodex der Zukunft.

  • Heilpflanzen sind wieder da. Holunder, Kornelkirsche, Sanddorn und weitere sind längst keine Randgruppe mehr.
  • Auch bei Kräutern und Gemüse lassen sich die heilenden Aspekte herausstellen wie durch Hildegard von Bingen Pflanzen, Kneipp Kräuter, Wildkräuter oder Omas Kräuterschätze.
  • Meerrettich ist die Heilpflanze 2021 und Achillea ist die Staude des Jahres 2021.

Trend 3: Tiny Garden

Der kleine Garten ist da, weil der kleinste Garten ein Blumentopf ist. Ihn kann und will jeder haben und erfolgreich am Leben erhalten. Ob in der Stadt oder auf dem Land, die Menschen suchen konkrete Lösungen für die Gestaltung ihrer kleinen, vielfältigen Gartenparadieschen.
Was bleibt wirklich klein? Sonne oder Schatten? Was wächst an welchen Standorten? Was funktioniert an der Wand, Vertical Gardening ist in aller Munde. Der hängende Garten ist cool – nur was geht? In der Praxis gibt es viele Fragezeichen.

Wegweiser 2021:
  • Shop-Konzept für den Tiny Garden hat Zukunft.
  • Kletterpflanzen erleben eine Renaissance. Verwendungsbetonte Konzepte für Wände, Zäunchen, Balkongitter, Mäuerchen, Mülltonnen entwerfen – damit auch wirklich alles Grün wird …

Trend 4: Urban Gardening

In der Stadt ist vieles speziell. Es gibt Vielfalt ohne Ende und viele Fragen zur Gestaltung vom Balkon, Terrasse, Innenhof, Dachgarten, Gemeinschaftsgarten oder Wandgarten …
Was pflanze ich in Kasten und Kübel? Was ist winterhart, immergrün und pflegeleicht?

Wegweiser 2021:
  • Coole Sortimente zusammen stellen, die bei Sonne, Wind, Frost und Regen erfolgreich im Gefäß gedeihen. Egal ob Nutzoder Zierpflanze.
  • Cross-Selling ist wichtig: Alles an einem Ort. Gartenwerkzeuge und Co – eigene Linie für den Urban Gardener entwickeln.
  • 1-2-3-Inspirationen für ein ganzjähriges Gärtnern auf dem Dach, Terrasse und Co.

Trend 5: Wilder Garten

Der wilde Natur-Garten wird zum gesellschaftlichen Gemeinschaftsprojekt, weil wir langsam unsere Verantwortung für die Artenvielfalt, das Klima und die wertvollen Ressourcen der Natur erkennen.
Blumenwiese statt englischer Rasen, gemischte Hecke statt Thuja-Sichtschutz, Bienenpflanzen, gute Verpackung, Recyclingtöpfe – das Themenfeld rund um den ökologisch verantwortungsbewussten Garten ist in aller Munde.
Nachhaltigkeit ist längst kein Begriffscontainer mehr, sondern ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

Wegweiser 2021:
  • Shop-Konzept für den wilden Garten etablieren: Artenvielfalt, spezielle Tierkonzepte für Vögel, Fluginsekten und Co sind Themenbeispiele.
  • Wassersortimente und wetterstarke Klimasortimente sind 2021 die Erfolgsthemen.

Trend 6: Indoor Gardening

Grünpflanzen erobern die Herzen der jungen Generationen und werden zu Freunden im heimeligen Paradies. Stylische Wohnwelten und aufregende Vielfalt schüren stetig neue Begehrlichkeiten.

Wegweiser 2021:
  • Themen wie gesundes Klima im Raum, Spielpflanzen für Kinder, Indoor Farming mit tropischen Esspflanzen wie Ingwer, Kurkuma und Co geben spannende Impulse rund ums Jahr.
  • Dranbleiben und das Sortiment mit spannenden Innovationen lebendig halten: Eine gute Kommunikation über die sozialen Netzwerke.
HORTIVISION Experten Tipp

Stetige Veränderung

Der Mensch verändert sich in seinen Ansprüchen seit Jahren deutlich schneller, als wir es im Handel tun. Aber auch das lässt sich ja ändern!

Und wie?

  • Kundenprofile neu definieren
  • Flächen neu denken, Ladenlayout, Warengruppen und Navigation an Kundenbedürfnissen ausrichten
  • Flächensteuerung nach 5-7 Jahreszeiten ausrichten
  • Kuratierte Sortimente an Kundentypen und Trendthemen anpassen (Ökologie, Nutzpflanzen, Nachhaltigkeit, Urban Green)
  • Category Management zur systematischen Steuerung der Warenpakete aufbauen
  • Mehr Convenience durch Cross-Selling optimiert Flächenproduktivität und Shopper Benefit
  • Arbeitsabläufe mit Blick auf Effizienz und Kundenorientierung anpassen
  • Visual Merchandising-Kompetenzen für die Erlebnis-Inszenierung
  • Service Portfolio durch konsequente Omnichannel Angebote, Personal Shopper, Abosysteme und Lieferservice optimieren

II. Grüne Trendthemen in der Praxis

Präsentieren nicht dekorieren

Moderner Lifestyle in Ruhe und Klarheit präsentiert. Weniger ist oft mehr.
(GC Barneveld, NL). Foto: Antje Verstl
Moderner Lifestyle in Ruhe und Klarheit präsentiert. Weniger ist oft mehr.
(GC Barneveld, NL). Foto: Antje Verstl

Die wichtigste Aufgabe ist es, Themen im Gartencenter schnell und gezielt zu inszenieren, Pflanzen mit Accessoires und Bedarfsartikeln zu verknüpfen. Nur stetig wechselnde Themen inspirieren und verführen. Es mangelt derzeitig nicht an Visionen und Ideen für traumhafte Themenpräsentationen – es knirscht und knackt vor allem in der erfolgreichen Umsetzung in die Praxis.

Es ist kein Hexenwerk, wenn wir voller Leidenschaft und Ernsthaftigkeit den Kunden in den Mittelpunkt unseres Tuns stellen. Unsere Mitarbeiter im Gartencenter sind die Schlüsselfiguren. Es ist unsere Aufgabe, sie zu trainieren, damit sie lernen, schnell und gezielt Themen zu inszenieren (ohne zu dekorieren). Sie mögen vor allem noch Zeit genug haben, mit ihrer Herzlichkeit und Fachkompetenz den Gartenkunden glücklich zu machen.

Planung von Präsentationen

  • Wichtigste Grundlage für die stetig wechselnde Themeninszenierung ist eine vorausschauende Planung
  • Flächenplanung im 6- bis 8-Wochen-Rhythmus
  • Gezielter Einkauf der Pflanzensortimente und damit Abschied vom Wahn des ganzjährigen Allesanbietens
  • Festlegung von Accessoires und nützlichen Verbundartikeln (Keramik, Erde, Dünger …)
  • Umsetzung mit Kundenblick

1-2-3 Umsetzung von Präsentationen

  1. Wahl des Präsentationsortes auffällig, zugänglich und frequentiert.
    Grundmuster abstecken mit dem Blick eines Stadtplaners.
    Blickachsen beachten, Gleichgewicht zwischen freier Fläche, Durchgängen und präsentierter Fläche wahren.
  2. Auswahl der Warenträger in Abstimmung mit dem Gefäßmaterial.
    Einheitliche Warenträger, eventuell mit unterschiedlicher Höhe.
    Pflanzenauswahl und Gefäßkollektion zusammenstellen mit dem Blick eines Malers: Farbliche und strukturelle Abstimmung, kein Materialmix.
  3. Pflanze – Preis – Zusatzartikel: Platzierung mit durchgängiger Preisauszeichnung, i-Tüpfelchen sind die Zusatzartikel: Dünger, Keramik, Erde.
    Vorsicht! Trocken zu trocken – nass zu nass! Zusatzartikel immer auf trockenem Fuß, greiffreundlich und mit Mengendruck anbieten.
HORTIVISION Experten Tipp

Neu Denken

Der neue Handel – the new retail – ist da und fordert uns heraus neu zu denken, zu planen und zu handeln. Logisch: Pflanzen bleiben Pflanzen und der Rasenmäher bleibt der Rasenmäher.

Bitte planen und handeln

  • Das Gartencenter von heute bleibt nicht das Gartencenter von morgen
  • Wir dürfen lernen in Konzepten zu denken anstatt in Waren
  • Der stationäre Handel wird zur lebendigen Erlebnisbühne auf der wir Pop-up-Sortimente in spannenden Stories immer wieder neu inszenieren
  • Der emotionale Erlebniswert wird Erfolgsmotor Nummer 1
  • Service und Gastfreundschaft sind wichtige Erfolgsfaktoren (wir empfangen keine Kunden sondern Gäste, die verwöhnt werden wollen)
  • Die Verknüpfung von offline und online ist selbstverständlich